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 Der Mann namens Weir

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Felicius

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BeitragThema: Der Mann namens Weir   Der Mann namens Weir EmptyDi 24 März 2015, 23:31

Der Mann namens Weir

Vier mal drei Meter, abgewetzte Dielen und stickige, verbrauchte Luft, verhangen vom Geruch von kaltem Schweiß. Die Kammer in der „Salzigen Jungfer“, in welcher sich der Mann namens Weir vor gerade mal einer Woche eingemietet hatte, hatte eben so lange weder einen frischen Luftzug noch einen einzelnen, staubigen Sonnenstrahl mehr verspürt. Die Fenster waren penibel zugezogen und unter dem bronzenen, abgegriffenen Türknauf der Kammertür klemmte ein alter Stuhl, dessen Polster bereits von einer einzelnen Feder durchstochen war. Das Bett war zerwühlt, die dünne, fadenscheinige Flickendecke lag unter dem hölzernen Gestell und das Kissen lag einsam in der fernsten Ecke der kleinen Kammer. Das einzige, was das schummrige Halbdunkel erhellte war der fast gänzlich heruntergebrannte Stumpen einer Kerze, welche in einer leeren Weinflasche steckte und ihr warmes Licht auf eine abgetragene Tasche aus braunem Leder warf, die ihr inneres auf die fleckige Platte eines kleinen Tisches erbrach. Es waren Bücher über Bücher, dick und dünn, verziert und simpel. Keines von ihnen war aufgeschlagen, bis auf ein einziges und mochte man die in Leder und Leinen gefassten Werke mit Menschen vergleichen, wirkte dieses eine als passte es nicht zu all den anderen mit ihren goldenen Verzierungen und gut gepflegten Einbänden. Es war kleiner, das Leder abgegriffen und schäbig und würde man es in die Hand nehmen, so fände man keinen Titel, keinen Schreiber, sondern nur dünnes, narbiges Leder. Die Lettern, die schräg und unebenmäßig über die Seiten krochen, entsprangen nicht der Federführung eines Schreibers, der in Kalligraphie oder der Vervielfältigung von Büchern geübt war. Es waren hässliche Runen, viel zu hastig und zu scharfkantig aufs dicke Pergament gebracht und der Inhalt ihres Zusammenspiels war beinahe ebenso scheußlich und verabscheuungswürdig. Und über eine Skizze viel zu eilig gezeichneter, in einander verschlungener Kreise fand sich ein einzelnes, schier bedeutungsloses Wort in klaren, beherrschten Lettern. Nipsillin.

Der Mann, der seinen Namen als 'Weir' angab, wimmerte leise als er zwei Finger dürr und farblos wie Spinnenbeine zwischen den dicken, blau karierten Stoff des Vorhangs schob und diesen mit einer vorsichtigen Bewegung zurück zog, nur einen Spalt breit. Das grelle Sonnenlicht, in welchem eine Unzahl von Staubkörnchen tanzten, brannte in den wässrigen, grauen Augen. Fünf Tage waren vergangen, dass er, Weir, sich das letzte Mal gewaschen hatte. Er stank wie ein Säufer und ebenso sah er aus: unter den fahlen Augen hingen dunkle Schatten und das bleiche, eingefallene Gesicht war von schiefen, unregelmäßig gesäten Stoppeln überzogen, die sich ähnlich Unkraut vom Mund die Wangen hinaufrankten. Das schwarze, sonst so stumpfe Haar glänzte vor Fett und hatte sich wild und wirr aus dem ehemals akkurat gebundenen Zopf gelöst.

Unten auf der Straße vor seinem verhangenen Fenster fand der Mann namens Weir das übliche Treiben, das am Hafen stattfand. Händler, die ächzend und schnatternd ihre jüngst eingetroffene Ware vom Kai in Richtung des Handelsviertels zerrten, Seeleute, die aus allen erdenklichen Ecken und Winkeln Azeroths einkehrten, so wie der ein oder andere Passagier, der vom ungewohnten Seegang noch immer ganz fahl im Gesicht war. Nichts ungewöhnliches heute, niemand, der vor der Herberge lungerte und verschwörerisch unauffällig zu Weirs verhangenem Fenster hinaufstarrte. Niemand. Kein fremdes Gesicht und auch nicht das des verrückten, dürren Mädchens mit dem fehlenden Schneidezahn. Nicht das des grobschlächtigen, rothaarigen Schwachkopfes von einem Söldner und schon gar nicht das des einäugigen Irren, dem er halbherzig seinen Eid vorgelogen hatte. Niemand war hier, niemand suchte ihn. Zumindest nicht hier. Der Mann namens Weir, müde und hungrig, schob den Vorhang wieder zu.

Rational betrachtet, alle Paranoia und aller Wahn bei Seite, bestand die Möglichkeit, dass Heinrich Dämmerlein – seines Zeichens Händler für Gewürze, Tee und Schwarzpulver – es nicht wagte ihm, Weir, Leute auf den Hals zu hetzen. Gewiss, und das war Weir bewusst, würde Dämmerlein es nicht auf sich sitzen lassen von einem abgehalfterten Schreiber und Bibliothekar bestohlen worden zu sein, schon gar nicht im Anbetracht der Tatsache, dass dies direkt unter seinen eigenen Augen in der eigenen Privatbücherei geschehen war. Sicherlich wären dem Mann namens Weir schon mindestens sieben Männer mit Drohungen, Messern und Gier auf den Fersen, hätte er nur die Werke von Poeten und Dichtern gestohlen, sowie die ein oder andere Aufzeichnungen aus den vergangenen Kriegen, doch er hatte mehr in seinen Besitz gebracht. Mehr als Dämmerlein es zugeben konnte und wollte, wenn ihm Ruf und Handel am Herzen lagen. Es waren drei Bücher, deren Besitz Dämmerlein all dies kosten konnten. Drei Bücher, eines unscheinbarer und hässlicher als das Andere. Sie waren all der Grund, weshalb der Mann namens Weir Dämmerleins Zoten und verbale Ausbrüche ertragen hatten und sie waren all der Grund, weshalb er nun krank vor Paranoia im stickigen Dunst einer Herbergskammer hockte, unrasiert und stinkend, statt wohlbehalten in seiner alten Kammer in der Mansarde eines Hauses in der Altstadt.
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Felicius

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BeitragThema: Re: Der Mann namens Weir   Der Mann namens Weir EmptyMo 13 Apr 2015, 17:46

Die Trommeln im Dunkeln

Farne wie Bäume, deren dicke Wurzeln wie giftige Schlangen über den Boden krochen und gigantische Palmen, die großen Vögeln gleich ihre fedrigen Wedel in die Höhe reckten, verdeckten den schwarzen Nachthimmel und seine zahllosen Sterne, welche irgendwo weit oben über dem undurchdringbaren Dickicht des Schlingendorntals standen. Nun, da die Dunkelheit das finstere Grün des Tages verdrängt hatte, hallten die Geräusche des Dschungels noch lauter, noch näher und schier noch bedrohlicher zwischen den dicken narbigen Stämmen, den raschelnden Büschen und den Ruinen mit ihren starrenden Rubinaugen hervor. Die Nacht war im Dschungel eingekehrt, doch Schlaf hatte sie nicht gebracht.

Der Mann namens Weir lag wach, die geröteten Augen weit aufgerissen, zuckte der schlaflose Blick über die nahen sich wiegenden Gräser, die raschelnden Büsche und hinauf zu den flüsternden Baumfarnen und Palmen. Irgendwo in der Ferne, das schwor er, konnte er den leisen, bedrohlichen Herzschlag von Trommeln hören, den der hitzigfeuchte Nachtwind herantrug. Angestrengt kniff der Schreiber die brennenden Augen zu, doch die Dunkelheit hinter den dünnen Lidern schien den Lärm des Dschungels nur noch zu verstärken, vermischten das unheilvolle Trommeln mit dem Schlagen seines eigenen Herzens und zwischen den Schreien der Affen, dem Kreischen der Vögel und dem leisen Surren der Mosquitos, die um seinen Kopf schwirrten und ihm die Haut zerstachen, konnte er ein Flüstern ausmachen, das langsam deutlicher, stetig klarer, unentwegt lauter wurde. Einen Moment, zwischen zwei Herzschlägen, tat er es als Einbildung ab, als Trugbild der surrenden Hitze, welche auch die Nacht nicht erträglicher machte, doch der Verstand war noch zu klar, noch zu ungetrübt durch die latenten Folter des Dschungels. Er kannte die Stimme, er kannte die Worte.

Durch den mageren Körper des Schreibers flutete ein kalter Schauder als er die schweißnassen Hände in sein verklebtes Gesicht drückte. Das unsägliche Flüstern, welches mit jedem Herzschlag lauter wurde, drang nicht durch seine Ohren – es kam von Innen, hallte in der Finsternis seines eigenen Schädels. Netherflüstern, so nannte es die Schrift. Selten hatte er es gehört, das Wispern der Stimme, welche wie süßes Gift in sein Ohr tropfte, doch heute Nacht sickerte es wieder in seinen Verstand und formte mit lieblicher Stimme Worte, die er nicht fassen konnte, nicht ausmachen konnte, so leise spukten sie durch seinen Verstand und so sehr er sich anstrengte und nach ihnen zu greifen suchte, so gelang es ihm nicht sie zu fassen. Das Flüstern war zu leise, der Dschungel zu laut und das unsägliche orcgleiche Grunzen, das hinter dem Lagerfeuer seinen Ursprung fand, ertränkte und verwässerte jede der leise geflüsterten Silben.

Leise grollend schlug der Mann namens Weir die geröteten Lider mit ihren scheußlichen violetten Schatten auf, krallte die mageren Finger in die lederne Tasche auf der sein Haupt ruhte und starrte aus weit aufgerissenen Augen durch das schwach flackernde Feuer zu der Quelle allen Übels hinüber; im Schein der tanzenden Flammen ruhte der wuchtige Körper Durnhams, der sich schnarchend und seufzend auf die rechte Seite wuchtete, die Augen unter dem ungepflegten roten Haarschopf waren fest geschlossen und nur hin und wieder verzog sich der bartgesäumte Mund, wenn eine große, prankenhafte Hand nach einem Insekt schlug. Irgendwo hinter den Hügeln und den Farnen, den Ruinen und den Palmen war das Trommeln verstummt, doch das Herz in der Brust des Mannes namens Weir raste umso zorniger. Er hasste ihn und er hasste ihn aus tiefster Seele. Durnham war – und da gab es keine Frage – Abschaum in seiner reinsten Form, das Maul größer als das Hirn und ein Verstand, der den eines unbelesenen Holzfällers kaum übertrumpfte. Eigentlich hatte er gehofft, Durnham würde sich seiner selbst entledigen, doch weder der monströse Worgen im Dämmerwald, noch der reißende Strom im Schlingendorntal hatten ihn von seinem jämmerlichen, lachhaften Leben erlösen können. Es stimmte, was sein Onkel stets zu sagen gepflegt hatte: Unkraut verging nicht.

Zornfunkelnd starrten die blutunterlaufenen Augen des Schreibers den massigen Körper Durnhams an, dessen Brust sich ruhig hob und senkte und unbeirrt die Kakophonie der Dschungelnacht um lautes, kehliges Schnarchen bereicherte. Der Mann namens Weir ballte die fleischlosen Hände zu knorrigen Fäusten. Es war soweit, die Nacht war gekommen. Die Nacht sich selbst um Durnham und sein Schandmaul zu kümmern, das ihm, Weir, schon beinahe Kopf und Kragen gekostet hatte. Lautlos und zitternd setzte der hagere Schreiber sich auf, der brennende Blick glitt über die Gefährten Dunkers, die so wie er um das sterbende Lagerfeuer herumlagen. Es war ein Wunder, dass sie die Glut zum Brennen gebracht hatten, war doch kaum trockenes Feuerholz auffindbar gewesen.

Während die rechte Hand bereits die verschmutzte, ausgebleichte Robe bei Seite schob, flackerten Weirs ruhelose Blicke über jedes der Gesichter, musterten sie eingehend, abwartend, forschend. Von Totenheil, so schloss er, ging keine Gefahr aus; sie war geschwächt und müde, es würde wohl ein Wunder sein, schlüge das grässliche Weib die Augen am nächsten Morgen wieder auf. Nichts konnte jemanden wecken, der dem Tod so nahe schien. Durnham grunzte wie der ganze Kriegshymnenklan, der sich sägend und fluchend in ihrer grausigen Sprache an der Vegetation des Eschentals zu schaffen machte – zumindest stellte der Schreiber sich den Klang einer schuftenden Horde Orcs annähernd ähnlich vor. Und der dumme, junge Bursche, der – so Weir – gerade einmal genug Potential aufwies um eine Hilfstätigkeit im Holzfällerlager Elwynns aufzunehmen, schlief tief und fest, das Flackern seiner Augen hinter den sanft verschlossenen Lidern verriet es.

Mit ausdrucksloser Miene zog der Mann namens Weir seinen Dolch aus dem bereits zum dritten Mal neu besohlten Stiefel und schloss die Finger um den mit feinem, blauem Stoff bespannten Griff. Geduld und Respekt waren Tugenden und der Mann namens Weir hatte sich wirklich Mühe gegeben mit dem jungen Bastard, vielleicht war es an der Zeit ihm besonderes Mitgefühl zukommen zu lassen und ihm ein schnelles Ende zu bereiten, ehe er noch qualvoll am Dschungefieber verreckte oder eines nahen Tages in die knöchernen Hände der verlassenen Apotheker fiel. Das Licht gebot es und Weir würde sicher gehen, dass der Bursche nichts merkte bis es nicht zu spät war. Ein sauberer Schnitt durch die Kehle und statt naiver, hochmütiger Worte würde nur noch ein klägliches Gurgeln den Mund des Jungen verlassen. Durnham schnarchte so laut, wenn er sich schon nicht selber aufweckte, dann würde auch das Gluckern von Speichel und Blut ihn nicht aus seinem Schlaf reißen. Er, Weir, würde ihn abstechen wie das Schwein, das er war, würde ihm den lügenden Mund aufschneiden und die Kehle durchstechen, den Wanst zerschneiden und für jedes Mal, dass er Weir mit seiner überlegenen Kraft vorgeführt und schikaniert hatte, würde er ihm einen weiteren Stich in die Brust schenken. Danach noch ein Stich ins eigene Fleisch, vielleicht auch ein zweiter – der Glaubwürdigkeit halber. Die Finger festigten sich um den Griff des Dolchs, die Knöchel bohrten sich weiß durch die farblose Haut. Und dann – ja – dann würde die Klinge an Durnhams rotem Haarschopf säubern, seine Tasche über die Schulter legen und sich schließlich schreiend und hysterisch dem mageren Weib zuwenden, sie wach rütteln und auf die Füße zerren ehe sie überhaupt aus dem Schlaf gerissen war.
Trolle. Und Trommeln. Trommeln in der Nacht. Auf dem Pferd des Burschen würden sie davon reiten und sie wäre seine Zeugin. Die Zeugin, die von einem in Tränen aufgelösten Schreiber erzählte, der jammernd und panisch, winselnd und blutend mit ihr vor den Trollen davonritt, die Durnham und den Burschen getötet hätten. Und seine Hände würden zittern, seine Augen weinen, doch sein Herz würde sich freuen.

Trolle. Wer erwartete schon, dass ein hagerer Schreiber sich einem dieser drahtigen Untiere stellte? Dunker hatte es selbst gesagt – ein Glück – hatte doch das Zusammentreffen mit dem monströsen Worgen gezeigt, dass ihm der Kampf nicht in die Wiege gelegt war. Dunker, der einäugige Krüppel, mochte ihm nicht glauben, doch dem Weib würde er die Worte um die Trolle schon abkaufen, das war gewiss.
Der Mann namens Weir lächelte, dann hielt er inne. Die Nacht war stiller geworden. Nicht nur die Trommeln schwiegen, auch das zornige Schlagen seines eigenen Herzens war ruhiger geworden, leiser und sanfter und am Rande seines Verstandes, dem Grat seines Geistes begann erneut das Hallen des leisen Flüsterns. Es war noch da, ganz zart und heimlich, doch es war da. Und der Mann namens Weir senkte sein Messer, schob es zurück in den so oft besohlten Stiefel. Er war kein Schläger, kein Söldner und schon gar kein Mörder. Er war ein Anhänger des Lichts. Er war Schreiber und eines Schreibers Waffe, war nicht die Klinge. Durnham würde sein verdientes Ende finden, das schwor der Mann namens Weir stumm und wortlos, nicht durch eine Klinge, aber durch etwas anderes. Etwas, das einem Mann wie Weir gerecht wurde.
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Felicius

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BeitragThema: Re: Der Mann namens Weir   Der Mann namens Weir EmptySa 25 Apr 2015, 19:45

Ein Ächzen

Die Nacht im Dschungel war finster, tief grün und undurchdringlich bestenfalls. Die Nacht in Beutebuch hingegen war vergleichbar grell, erhellt von Fackeln und Ölleuchten, deren Lichter zuckend und nahezu hypnotisierend auf den schwarzen Wellen der Bucht tanzten, welche stetig und beharrlich gegen die hölzernen Stützen der aufgeständerten Hafenstadt schwappten. Und während im Dschungel das unaufhörliche Geschrei von Affen und Papageien, das Knacken vom Unterholz und das dumpfe, wenn auch ferne Pochen der Trommeln den unerfahrenen Reisenden um Schlaf und Verstand brachten, so sorgten in Beutebucht das Lachen und Gröhlen der Seefahrer, das Gackern und Krächzen der Goblins und das Kichern und Keuchen der Huren dafür, dass Schlaf nur selten und wenn gar kurz in die schiefen und schrägen Zimmern des Gasthauses einkehrten, durch dessen Räume und Flure das helle Klirren von Gläsern und das Gewirr von Stimmen aus unzähligen Kehlen irrte. Hin und wieder vernahm man unter dem Missklang aus unverständlichen Worten, dem Poltern von Lederstiefeln und dem Schaben von Stühlen auf den abgewetzten Dielen ein verräterisches Ächzen, das durch die hölzerne Konstruktion des Gasthauses über das feuchte Holz des Piers hinab ins Wasser kroch und dort verstummte. Das Holz arbeitete, daran gab es keinen Zweifel. Und selbst wenn das Ächzen des sich setzenden Holzes in der nächtlichen Dissonanz unterging, waren die krummen Dielen, die verzogenen Türrahmen und bedrohlich durchgebogenen Deckenbalken der Beweis dieser Tüchtigkeit.

Und so knarzte auch der Boden unter den abgetragenen Sohlen zweier Stiefel, die ihr heruntergekommenes Leder hinter dem schweren Stoff einer ausgewaschenen Robe versteckten und ließen ihren Besitzer, den Mann, der sich Weir nannte, atemlos inne halten. Angespannt horchte der hagere Schreiber in den Lärm der Nacht hinein, beobachtete mit weiten Pupillen die Schatten, die im schummrigen Licht der Öllampe über den schiefen Korridor huschten, an welchem sich die Zimmertüren der Gasträumen ungleichmäßiger Perlen ähnlich aufreihten. Das Paar grauer, blutunterlaufener Augen kroch hastig und huschend durch das schummrige Dunkel. Nichts als Schatten lungerten im schwach erleuchteten Flur. Und er, Weir, war einer von ihnen. Dünner war er geworden, noch dünner als zuvor und hatte er bereits vor Antritt ihrer irrsinnigen Reise den Anschein von Krankheit erweckt, so wirkte er im Dunkel der heruntergebrannten Lampen nun nur noch wie der Schatten eines Mannes; die ausgeblichene Robe hing wie ein Sack von den schmalen Schultern, hatte sie doch das letzte Mal vor zwei, vielleicht drei Jahren richtig gepasst, die Augen brannten glutrot vom mangelnden Schlafe, der einen tiefen Schatten auf die dünnen Lider warf und die Flecken Haut, welche die Sonne nicht gnadenlos verbrannt hatte, stachen in einem äußerst widerlichen Weiß durch das Dunkel.

Nervös leckte die Zunge über die aufgerissenen Lippen und der Mann namens Weir ließ die Augen aus der hintersten Ecke des Korridors zurückschweifen, zurück auf die angelaufene Nummer der Zimmertür, die ihm verriet, dass er gefunden hatte, was er suchte. In einer anderen Nacht, unter anderen Umständen wäre er umgekehrt, hätte es sich anders überlegt, doch der Moment war gekommen. Die Fliege war in das Netz der Spinne geflogen, obgleich sie es nicht selbst gesponnen hatte. Einmal wieder hatten sich die Tugenden des Lichts bewahrheitet, Geduld und Hartnäckigkeit allein vermochten die Welt zu ändern. Und heute Nacht würde sie sich ändern, zumindest für einen von ihnen, wenn nicht gar für alle. Ein erster Schritt.
Behutsam schlossen sich die Finger ähnlich der Beine bleicher Spinnen um den bronzenen Knauf der Tür und drehten ihn herum bis ein leises Knacken ertönte und sie beinahe wie von selbst aufsprang. Ein Lächeln zerriss die angespannte Miene Weirs; der Alkohol trübte die Sinne der Fliege, ließ alle Vorsicht fahren, obgleich sie hätte wissen sollen, dass man sich in Beutebucht besser nicht in Sicherheit wiegen sollte. Und so trat er ein, Erregung brannte unter seiner Haut.

Auf einem kleinen Tisch, ohne ein Deckchen und ganz allein, stand eine fast gänzlich heruntergebrannte Kerze, deren Wachs weiß über das dunkle Holz kroch und in der nahen Ecke unter dem Fenster lag sie, die Fliege, dort lag sie und schlief. Schnarchend und sabbernd, das rote Haar zerzaust und der borstige Bart besudelt von Erbrochenem. Codwyn Durnham. Schandmaul, Tyrann und wohl die größte Gefahr in der blinden Gruppe um Dunker, den Krüppel.
Schweigend legte Weir die Handflächen auf das geölte Holz der Tür und drückte sie sanft zurück in ihr Schloss, dann wandte er sich mit langsamen, gewandten Schritten einer räudigen Katze gleich dem schlafenden Koloss zu, der reglos und noch in Rüstung gehüllt in den fleckigen Kissen lag. Ein Lächeln kroch auf Weirs schmale Lippen, ein hässliches, kaltes Lächeln, das sich bis auf die blutunterlaufenen Augen erstreckte.

„Herr Durnham.“, flüsterte er ruhig während er sich vorbeugte und aus dem linken Stiefel den blanken, kleinen Dolch zog, den Durnham und Dunker ihm einst im Rotkammgebirge abgenommen hatten. Doch Durnham regte sich nicht; alles, was er von sich gab, war ein kehliges Grunzen.
„Das dachte ich mir schon.“, antwortete Weir nickend und schob die freie Hand ins Innere seiner Robe. Es dauert einen Moment, doch als er sie wieder herauszog, ruhte in den langen, weißen Fingern ein kleines, unscheinbares Buch, bedeckt von einem dünnen Film Schweiß. Es war sein Glück, dass sie ihm dieses Exemplar nicht hatten abnehmen können. Er hatte es stets am Körper getragen und doch war ihm bewusst gewesen, dass sich das Blatt jederzeit gegen ihn hätte wenden können; waren die anderen Bücher in der Sprache geschrieben, die einen jeden Philologen um den Verstand brachte und das Seelenheil zerfraß – Eredun nannten sie es, Eredun war der Name der scheußlichen Sprache – war dieses in klarer Gemeinsprache verfasst, ergänzt von ebenmäßigen Notizen deren gleichmäßige Lettern auf einen Schreiber hindeuten mochten. Gewiss, der König mochte diese Praktiken in seinen Heeren nun dulden, und mochte es auch legal sein, es würde keinen der kleinen Gruppe um Dunker davon abhalten, ihm nicht augenblicklich die Kehle aufzuschneiden und ihn ausbluten zu lassen wie Vieh. Doch gefunden hatten sie es nicht.

Behutsam schlugen die farblosen Hände das kleine Buch auf, bis zu den Seiten, zwischen denen ein Stück Stoff als Lesezeichen diente. Der Gedanke an das Bevorstehende ließ einen warmen Schauer über seinen Rücken ebben, Aufregung kroch in seine Finger und ließ sein Herz vor Verzückung und Freude flattern wie einen kleinen Vogel, den man in die Freiheit entließ. Es mochte nicht das erste Mal sein, und doch musste er sich eingestehen, dass es ihm noch immer nicht allzu leicht viel. Ihm fehlte Übung, ihm fehlte die Gelegenheit. Ihm fehlte ein Zirkel. Der Gedanke allein, was einer der mächtigeren, fähigeren Individuen zu tun fähig war, erregte ihn auf vielschichtige Art und Weise, ließ ihn erzittern.

Die grauen Augen huschten fahrig über die scharfkantigen Runen, welche im Zusammenklang die Worte der Menschen bildeten, rasten über die selbstverfassten Anmerkungen und Notizen und blickten schließlich auf, hinüber zu Durnham, der ruhig und stinkend vor sich hinschnarchte und nicht ahnte, was ihm noch bevorstand.
Ihm hatte Weir es zu verdanken, dass Dunker seinen Worten keinen Glauben schenkte. Ihm hatte er es zu verdanken, dass sein wertvollster Besitz nicht mehr in seinen Händen lag – Dunker, ungebildet und ängstlich, hatte keine Ahnung, welchen Wert er da mit sich herumtrug. Und für all dies, für all die Schikanen, für all die Bloßstellung, würde Durnham nun seine gerechte Strafe erhalten – und er würde sicher gehen, dass er litt. Es würde schleichend von statten gehen, ein langsames Dahinsiechen, ausgedehnt über Wochen. Wer wusste schon, was alles im schmutzigen Wasser des Stroms lauerte, welcher Durnham einst im Dschungel mit sich gerissen hatte. Es war ungewiss für sie alle, selbst für Weir. Doch was er mit Bestimmung sagen konnte, war, dass Durnham leiden würde. Und niemand sollte ihn, Weir den schmächtigen Schreiber, verdächtigen. Nicht einmal Durnham.

Genüsslich leckte Weirs Zunge über die fahlen Lippen als er die linke Hand erhob und alle Finger so weit abspreizte, dass es schmerzte, den Blick fest auf Durnham gerichtet und in der Rechten Dolch und Buch. Durnham mochte sich einbilden ihn, Weir den hageren Schreiber, brechen zu können. Er mochte glauben, er könnte ihn töten, ihm die Kehle mit seinem eigenen Dolch aufschlitzen und doch – und doch sah er nicht, dass der dünne, schwache Mann ihm zuvorkommen könnte. Durnham mochte kräftig sein, gewandt im Kampf und flink mit dem Schwert, fähig jeden Knochen Weirs allein mit den großen Händen zu brechen, doch es gab Dinge, gegen die ihm all dieses Können nicht helfen mochte.

Die Finger ungesund und grotesk von sich gestreckt, quälte der Schreiber schließlich tonlos, fast lautlos ein einziges, holpriges Wort über die Lippen, dessen scheußliches Ächzen in der Nacht fast unterging und obgleich es ihm die Stimmbänder beinahe zerriss, einen wohligen Rausch durch seinen eigenen Körper jagte. Es war kein Wort, das für menschliche Zungen geschaffen war und es war kein Wort, dessen genaue Bedeutung der Schreiber kannte, doch wusste er um die Folgen dieses einen Missklangs, dieser einen Geste, für Durnham. Für ihn. Für alle.
Lächelnd senkte er die Hand und schloss die Finger wieder um Buch und Dolch. Leiden. Ja, Codwyn Durnham würde leiden.

((OOC: Danke an Codwyn, für die Zustimmung der Vertiefung unseres IC-Konfliktes!)
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